
Transformation von Wohnen und Arbeiten

Veränderung von Arbeiten und Wohnen
Veränderung von Wohngebieten und Arbeitsorten
Dritte Orte / Third Places
Veränderung von Arbeiten und Wohnen
Im Kontext der Pandemie haben aber insbesondere Wohnen und Arbeit in der Stadt eine Re-konfiguration bzw. Neudefinition erfahren, deren langfristige Auswirkungen noch kaum absehbar sind. Die traditionell eher getrennten Aktionsräume von Wohnen und Arbeiten sind während der Pandemie neu definiert worden, u.a. durch Home-Office, Home-Schooling und digitales Arbeiten (vgl. Reuschke & Felstead 2020). Durch den externen Effekt der Pandemie hat sich die Arbeitskultur ausdifferenziert und die Akzeptanz von ortsunabhängigem Arbeiten hat sich schlagartig verändert. Durch die Abstandsregeln hat das Arbeiten von zuhause eine völlig neue Qualität erreicht, Videokonferenzen sind Normalität geworden. Insbesondere lange Pendelwege werden durch die Lockdown-Maßnahmen nachhaltig in Frage gestellt. Für zahlreiche Jobs des Niedriglohnsektors fallen diese Flexibilisierungsoptionen des Arbeitsortes jedoch weitestgehend weg.
Während in der Vergangenheit aber die Dezentralisierung von Arbeit meistens mit einer Entmischung von städtischen Nutzungsstrukturen in Arbeitsorte, Wohnorte und Freizeitorte verbunden war, bietet die Post-Pandemische Stadt die Chance einer Re-Konfiguration von Arbeit und Wohnen in ortsunabhängiger Art und Weise.
Kommunikationstechnologien erlauben die Arbeit von Überall und werden mit der Pandemie flächendeckend auch von Arbeitgebern akzeptiert bzw. sogar gefördert (vgl. Spengler & Frenzel 2020). Es stellt sich die Frage welche räumlichen Implikationen dies mittel- und langfristig auf unsere städtischen Räume haben wird. Insbesondere stellt sich aber die Frage, ob die neuen Formen ortsunabhängiger Art auch zu nachhaltigeren und gemischteren Stadtstrukturen führen können und dem Quartier eine neue Bedeutung geben? Der bestehende Trend von Co-Living und Co-Working als Zukunftsentwicklungen bekommt im Zuge der Pandemie ebenso einen neuen Impuls (vgl. Lehrmann & Kleinmanns 2020).
Viele Unternehmen geben inzwischen an, ihre Büroflächen mittelfristig reduzieren zu wollen, wodruch sich die Frage nach der zukünftigen Bedeutung des klassischen Büros stellt. Und auch das Konzept der resiliente Stadt, die besonders auf flexible Prozesse, Governance & Typologien, Hybrid Spaces und Sharing-Konzepte setzte, wird im Zuge der Pandemie erneut besonders stark diskutiert.
Veränderung von Wohngebieten und Arbeitsorten
Das planerische Ziel einer stärkeren Mischung von Nutzungen in der Stadt, besteht nicht erst seit der Covid 19 Pandemie. Seit viele Jahrzehnten wird an Konzepten gearbeitet Stadtquartiere sozial und funktional gemischter zu gestalten.
Insbesondere monofunktionale Wohn- und Arbeitsgebiete haben im Zuge der post-pandemischen Entwicklung jedoch besondere Chancen sich weiterzuentwickeln und zu transformieren. Die verstärkte prozessuale Vermischung von Wohnen und Arbeiten bietet die Möglichkeit diese Aspekte auch räumlich stärker miteinander zu verknüpfen. Vor allem städtebaulich wenig nachhaltige Stadtbausteine, wie Einfamilienhaussiedlungen am Stadtrand aber auch Arbeitsorte wie Gewerbgebiete oder Büroparks können hiervon profitieren. Wohnen im Büropark oder Arbeiten im Wohnquartier (inkl. urbaner Produktion) können fester in der Planungen von Kommunen, Investoren und Nutzern integriert werden.
Die Pandemie bietet die Chance viele grundlegende Parameter der städtebaulichen Entwicklung (Dichte, Mischung, kurze Wege, Quartiersversorgung, Freiräum, öffentlicher Raum) zu überdenken und neu zu verhandeln, die heute oftmals scheitern, weil es eine zu geringe Nutzerakzeptanz dafür gibt. Die Pandemie ändert dies und schafft somit Raum für Experimente, die vorher kaum denkbar waren. Besonders der Wunsch nach (wohnungsnahem) Austausch und Kommunikation wird bei einer zunehmenden Nutzung des Homeoffice steigen (vgl. Kleilein & Niedenthal 2020). Unternehmen werden ihre Büroflächen verkleinern, so dass Wohnquartiere und Arbeitsorte gewaltige Transformationen erfahren werden.
Dies wird neben der Stadtquartiersebene auch Auswirkungen auf zukünftige Bautypologien in diesen Stadtbereichen haben. Müssen sich besipielweise Wohntypologien verändern? Braucht es zukünftig mehr dezentrale Co-Working Spaces auch im Wohnquartier? Müssen Wohntypologien zukünftig viel stärker Arbeitsräume mitdenken?
Der neue Vodafone-Campus im Büropark Seestern in Düsseldorf
(Quelle: Magdalena Gruber)
Wohnsiedlung Dortmund Phönixsee Nord 2
(Quelle: Uwe Grützner)
Dritte Orte / Third Places
Sogenannte dritte Orte / Third Places (wie z.B. nachbarschaftliche Gemeinschaftstreffpunkte) erfahren während der Pandemie eine neue Bedeutung. Die zügige Umsetzung der Telearbeit & Homeoffice als standardisierte Arbeitspraxis in Verbindung mit den Auswirkungen der durch die Lock-Down hervorgerufenen lang anhaltenden Enge zu Hause – darunter die bereits erwähnten Ungleichheiten bei der Heimarbeit (Reuschke und Felstead, 2020) – haben die Aufmerksamkeit erneut auf Räume für die zwischenmenschliche Kommunikation gelenkt, die die Kluft überbrücken können, die durch die räumlichen Trennungen zwischen Arbeit und Wohnung im heutigen Leben entsteht.
Oldenburgs Argumente (1999) zur Bedeutsamkeit dritter Orte für die Entwicklung eines Gemeinschafts-und Ganzheitsgefühls sind nach wie vor gültig und haben im letzten Jahrzehnt wieder einen Platz in der Literatur zur Kommunal- und Quartiersentwicklung eingenommen (vgl. Jeffres et al., 2009; Hickman, 2013; Alidoust et al., 2015; Meier, 2018; Morisson, 2019).
Wie Oldenburg (1982) analysierte, kann die Rolle solcher Orte für die Bereitstellung von Raum für Austausch, Geselligkeit und soziale Begegnung zwischen Mitgliedern einer Nachbarschaft und ihre Fähigkeit, soziale Nachhaltigkeit zu fordern (vgl. Goosen und Cilliers, 2020), als ein angemessener Charakter von Räumen angesehen werden, die sowohl für soziale Begegnung als auch für dezentrale Arbeit bestimmt sind, wie sie in jüngster Zeit von innovativen Projekten vorgeschlagen wurden (z.B. Hunziker Areal). Aber die Verbesserung der räumlichen und sozialen Bedingungen durch architektonische und planerische Entscheidungen hin zu alternativen Arbeits- und Wohnformen scheint nicht mehr das Vorrecht wohlhabender und klar definierter sozialer Milieus zu sein, wie es bei bestimmte Baugruppen der Fall sein könntet. Stattdessen stehen sie als absehbares Ergebnis der veränderten Anforderungen, die die Stadtplanung nach der aktuellen Pandemie stellt.
Die Frage, wie angemessene Rahmenbedingungen für neue Arbeits- und Lebensformen geschaffen und gleichzeitig der soziale Austausch und die gemeinschaftliche Lebensqualität auf einer breiteren Basis in städtischen Umgebungen gefördert werden können, wird somit unter den gegenwärtigen Umständen als ein relevantes Thema verstärkt.
Co-working im Google Umbono Workspace, Cape Town
(Quelle: Haldane Martin (CC))
Literatur
WOHNEN UND ARBEITEN
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Mit Ragnhild Sørensen, Doris Kleilein, Anh-Linh Ngo, Niklas Maak.
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Doris Kleilein und Friederike Meyer – zum Thema Wohnen/Arbeiten
Anh-Linh Ngo – Beispiel von architektonischer Flexibilität. Redaktionsräume der Berliner Architekturzeitschrift Arch+ (Baugruppe Frizz23)
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